Die Kuba-Methode und der Bergbau 2.0

Im Rahmen der Serie „Weniger ist mehr“ traf sich die GZ mit den Vordenkern der Recycling-Region Harz von der TU Clausthal.

Clausthal-Zellerfeld/Goslar. Recycling, sagt Andreas Rausch, „ist das Zweitschlechteste nach Verbrennen“. Der unkonventionell wirkende und einen grellfarbenen Hoody tragende Direktor des Institutes für Software und Systems Engineering an der Technischen Universität Clausthal sitzt in einem modernen Ohrensessel im GoTEC auf dem Energie-Campus Goslar und grient frech. Recycling ist das Zweitschlechteste! Das ist eine spitze Bemerkung, gerichtet an einen Freund. An Prof. Daniel Goldmann vom Institut für Aufbereitung, Recycling und Kreislaufwirtschaftssysteme in Clausthal. Goldmann ist, wenn man so will, der „Recycling-Papst“ der Harzer Region – und damit Deutschlands, sogar Europas.

Denn „wir sind in Europa die stärkste Recycling-Region“, sagt Goldmann bei einem Treffen mit seiner Mitstreiterin Asja Mrotzek-Blöß an seinem Institut. Wobei er mit Harz-Region alles meint, „was man vom Brocken mit dem Fernrohr bei guter Sicht sehen kann“. Über 100 Unternehmen seien da „im Hightech-Recycling aktiv“, sagt Goldmann, der zwar förmlicher gekleidet ist als Rausch, dem aber genauso wie seinem Professoren-Kollege ein jungenhafter Schalk im Nacken zu sitzen scheint.

„Das ist mein Erz!“

„Wir verstehen uns gut“, versichert Rausch. Beide kämpften an derselben Front, nur eben an verschiedenen Abschnitten. Während Goldmann am Ende der Verwertungskette von elektrischen Geräten steht, dem Elektro-Schrott, und forscht, wie das darin enthaltene Metall, darunter teures Zeug wie Tantal, Indium oder Cobalt, „das halbe Periodensystem“, wieder gewonnen werden kann, setzt Rausch schon vorher an. Er und seine Mitstreiter, so Maret Mathiszig und Dominique Briechle, fragen, ob die Altgeräte noch jemand gebrauchen kann? Also wie „der Nutzen von Dingen erhöht werden kann“, einfach, in dem sie repariert und wiederverwendet werden. Denn dadurch sei der Hebel viel größer! Schließlich brauche Aufarbeitung und Wiederverwendung viel weniger Energie als Recycling.

Dass das, bezogen etwa auf Autos, ein wenig nach Kuba klingt, wo immer noch mit 1950er Oldtimern gefahren wird, ficht Rausch kein bisschen an. Ja, ruft er leidenschaftlich aus seinem Ohrensessel: Das ist „die Kuba-Methode, aus zwei mach eins!“

Wie bei vielen lebenslangen Leidenschaften sprang der Funke in der frühen Jugend über. Goldmann etwa sah im Fernsehen eine Nachwuchs-Werbung des Exxon-Konzerns. Darin kämpft sich ein Marlboro-Typ Marke Indiana Jones durch den Urwald auf der Suche nach Öl. Der junge Goldmann dachte: „Das willst du auch!“ Lächelnd sagt er, der seit 40 Jahren das Recycling voran bringt: „Ich wollte Rohstoffe suchen in der Wildnis.“ Folglich studierte er in Clausthal – „und dann brach der Weltmarkt für Rohstoffe zusammen.“

Andere Rohstoff-Quellen mussten her und Goldmann, der nach dem Studium bei der Preussag arbeitete, erinnert sich an eine weitere Schlüssel-Szene seines Lebens. Erz-Mangel führte zu Ratlosigkeit. Eines Tages kommt ein Kollege ins Büro, auf der Schulter trägt er einen alten Fernseher und ruft: „Das ist mein Erz!“ Goldmann: „Damit war die Idee des Recyclings von Elektronik-Schrott geboren.“

Größter Wirtschaftssektor in der Region

Es entstand eine erste Pilotanlage; heute arbeiten in den Firmen des Recycling-Clusters REWIMET e.V. 18.000 Mitarbeiter. „Es ist der größte Wirtschaftssektor in der Region.“ Der Harz sei Jahrhunderte eine Bergbau-Region gewesen. Jetzt gehe es um „Bergbau 2.0“, um Rohstoffe aus dem Recycling, ein lohnendes Geschäft. „Die Schlacht um die Stoffströme wird schärfer werden“, prognostiziert Goldmann.

Er, Rausch und viele junge Mitarbeiter ihrer Institute betreiben nicht nur „Rethink“ – Umdenken und finden neuer Ideen. Ihre Ansätze sind auch sehr praktischer Natur. An Goldmanns Institut stehen Container, an denen Einwohner wie Uni-Mitarbeiter alte Elektro-Geräte wie Laptops einwerfen können. Rausch und Kollegen stellen in Zusammenarbeit mit dem Kreiswirtschaftsbetrieb Goslar Tonnen für E-Schrott sogar vor die jeweilige Haustür. In einem weiteren Projekt werden in einer Seesener Halle derzeit aus alten gespendeten Fahrrädern neue Bikes zusammengebaut. Stichwort Kuba-Methode.

Kurzum, meint Prof. Goldmann: „Die Zeiten, wo man alles verschwinden lässt, sind vorbei.“ 

Quelle: Goslarsche Zeitung