Weniger Klausuren, mehr Praxis im Team

Wirtschaft im Harz: Das DIGIT in Goslar bietet ein Studium, das schmeckt – Seit diesem Wintersemester werden 20 Studienplätze mit Werkvertrag angeboten.

Nachhaltig, innovativ, interdisziplinär, kreativ, teamorientiert – beim Studium am „Center for Digital Technologies“ in Goslar sind das keine Schlagwörter, sondern begeisternde Praxis. Seit Kurzem geht das auch samt Werkvertrag in Betrieben. Ein so praxisnahes und projektbezogenes Studium an einem Forschungsinstitut gibt es sonst in ganz Deutschland nicht, verheißen die Professoren. „Nicht jeder, der sich einschreibt, muss hier eine eigene Firma gründen“, macht Professor Gert Bikker klar. Aber die Türen für ein Start-up stehen bei Digital Technologies zumindest verdammt weit offen. Im Wintersemester 2019/2020 hat das Forschungszentrum in Goslar den Studiengang aus der Taufe gehoben, und inzwischen sind bereits drei Ausgründungen erfolgt – mitten aus dem Bachelor-Studiengang heraus.

Start-ups im Studium

Im Frühjahr 2022 gründeten drei Studenten „Hydroguard“. Inhaltlich geht es um Überwachung der Gewässerqualität, etwa bei Gefahr durch Blaualgen. Um Mülltrennung und Abfallwirtschaft dreht sich alles beim studentischen Start-up „Ceconsoft“, beispielsweise um die Sammeltonne on demand direkt vor die Haustür. Und das „Team Firebot“, als dritte Gründung, hat einen Löschroboter für einen Recyclinghof entwickelt. Alternativ ließe sich der Roboter aber auch zum Pflanzengießen einsetzen – etwa für städtische Betriebshöfe, schildert Professor Andreas Rausch.

Alle drei Startups sind aus Projekten innerhalb des Studiums entstanden und eröffneten parallel auch eine unternehmerische Perspektive. „Solche Projekte setzen so viel Energie frei, so viel Kreativität. Die Studierenden haben einfach Bock drauf. Das ist eine tolle Entwicklung, auch für die Region und die Menschen“, schwärmt Rausch. Ein solches Konzert funktioniert natürlich nicht ohne die richtigen Dirigenten.

Rausch ist Vorstandsvorsitzender des „Centers for Digital Technologies“, kurz DIGIT genannt. Bikker ist der Vorstandssprecher. Beide haben hohe akademische Weihen in Forschung und Lehre, aber zugleich immense Expertise aus der Wirtschaftspraxis. Und sie treiben sich förmlich gegenseitig an. Hier Andreas Rausch, der Bayer aus dem Allgäu, dort Gert Bikker, das Nordlicht aus Ostfriesland, die schon in Sprache und Habitus ein spannendes Duett erklingen lassen. Bikker trägt Sakko, Rausch hingegen ist gerne mit Sneaker und Hoody unterwegs. Der Bayer vertritt in führender Position die TU Clausthal im Oberharz, der Ostfriese wiederum die Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften mit zentralem Sitz in Wolfenbüttel. Kooperation und agiles Management sind also angesagt – in Organisation und Studium gleichermaßen.

Die Alleinstellungsmerkmale: Forschungszentren an Hochschulen gibt es viele, aber das DIGIT in Goslar ist das einzige in Niedersachsen, das auch einen eigenen Studiengang anbietet. Weniger Klausuren, dafür umso mehr Praxisnähe, so heißt die zweite Zauberformel. Vom ersten Semester an laufen Lernen und Lehren verstärkt über ganz konkrete Projekte. Das wiederum ist nicht an Jahrgangsgruppen gebunden, sondern Semester übergreifend. So arbeiten in den Projekten sogar Bachelor- und Masterstudenten zusammen.

Zugleich verfolgt das DIGIT konsequent interdisziplinäre Ansätze, denn Digitalisierung betrifft ja auch in der Realität völlig unterschiedliche Aufgaben und Branchen. Sechs Anwendungsgebiete stehen dabei am DIGIT zur Auswahl: „Autonome Systeme“ mit Grundlagen und Vertiefung in der Robotik; „Circular Economy und Umwelttechnik“ mit Schwerpunkt Rohstoffen. Kreislaufwirtschaft und Recycling; „Digitale Transformation“ mit Anwendung in verschiedensten Geschäftsmodellen und -prozessen; „Energie“ mit Schwerpunkt auf Gebäudeausstattung, Klima- und Lüftungs- technik; „Industrie 4.0“ mit Fokus Automatisierung, Messtechnik und intelligente Fertigungsverfahren sowie „Mobilität“ mit Blick auf Verkehrssteuerung, automatisierte Verkehrssysteme und Logistik. Die Studierenden beginnen dabei im ersten Semester zentral am DIGIT in Goslar, im Anschluss geht es an die TU Clausthal oder die Standorte der Ostfalia. Präsentationen und Projektpartys am DIGIT gehören regelmäßig dazu.

Weitere Kooperationen

Aktuell gibt es 60 Studentinnen und Studenten am DIGIT. Nach dem Auftakt 2019/2020 zünden Rausch und Bikker nunmehr die nächste Innovationsstufe: Das DIGIT hat ein Dutzend Unternehmen als Kooperationspartner gewonnen, die Werkverträge für den akademischen Nachwuchs anbieten. Das reicht vom Automotive-Konzern Bertrandt bis zum führenden deutschen Landmaschinenhersteller Fendt, von pdv-Software bis zur Stadtverwaltung Goslar.

Rund 20 Studienplätze mit Werkverträgen stehen zur Verfügung, los gegangen ist es in diesem Wintersemester 2023/24. Studierende können Hochschulsemester mit Praxisphasen in den Unternehmen kombinieren – was nicht nur Praxisbezug und Kontakte vertieft, sondern Studierende auch finanziell unabhängiger macht. Wie praxis- und zukunftsorientiert das Studienprogramm am DIGIT ist, macht ein Förderprogramm des Landes Niedersachsen deutlich: Bis zu 50 spezielle Digitalisierungsprofessuren stellte das Land 2019 insgesamt in Aussicht. Allein zehn davon gingen an die TU Clausthal und die Ostfalia fürs DIGIT – während Braunschweig und Hannover leer ausgingen, fügt Rausch augenzwinkernd an: „Unser Konzept muss irgendwie überzeugt haben.“ Und das bestätigen auch die bislang 60 Bachelor- und Masterstudenten an diesem agilen Forschungszentrum für Digital Technologies.

„Das ist eine tolle Entwicklung, auch für die Region und die Menschen, die hier Leben“, sagt Professor Andreas Rausch.

Quelle: https://www.goslarsche.de/cms_media/module_ob/4/2054_1_Wirtschaft_im_Harz_komprimiert.pdf